Ergo beendet klassisches Lebensversicherungsgeschäft
Markus Rieß schweigt am liebsten über die Vergangenheit. Der Ergo-Chef will sie schnell hinter sich lassen.
Kein Wunder:
Die bisherigen Versuche seines Vorgängers Torsten Oletzky, die Munich-Re-Tochter wieder fit zu bekommen, scheiterten grandios.
Nun startet der ehemalige Allianz-Manager einen erneuten Anlauf und wagt einen schmerzhaften Schritt: Er trennt sich von dem gesamten klassischen Lebensversicherungsgeschäft. Mehr als sechs Millionen Policen mit festen Garantien landen auf einer Extra-Müllkippe. Für die Kunden ist das eine schlechte Nachricht: Sie müssen sich auf sinkende Renditen einstellen.
Die Ergo leidet unter zu hohen Kosten und kämpft mit einem schrumpfenden Marktanteil. Skandale wie eine Lustreise von Vertretern nach Budapest haben das Image des Versicherers nachhaltig ramponiert. Immer wieder gab es Gerüchte, die Munich Re wollte sich von der ungeliebten Tochter trennen. Dies stritten die Münchner stets ab. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass es schwer geworden wäre, einen Käufer zu finden.
Vor einem Jahr gab Oletzky dann auf – aus Erschöpfung. Nun soll Rieß den Versicherer retten. Der ehemalige Allianz-Manager ist bekannt als knallharter Sanierer und Zupacker. Für die Düsseldorfer ist es die letzte Chance. Tausende Mitarbeiter müssen gehen, und das Ende der klassischen Lebensversicherung ist besiegelt.
Abwicklungsplattform für Altbestände
Denn für diese hat Rieß kaum noch Hoffnung. Die Garantiezinsen, die Ergo seinen Kunden in der Vergangenheit über Jahrzehnte versprochen hat, nehmen dem Konzern zunehmend die Luft zum Atmen. Gemeinsam mit der Victoria Leben, die bereits stillgelegt wurde, landen nun die Policen der Ergo Lebensversicherung und Pensionskasse auf einer sogenannten Run-off-Plattform.
Hier werden viele Bestände auf einer gemeinsamen Abwicklungsplattform abgewickelt, sodass sich die Kosten auf eine höhere Anzahl von Kundenverträgen verteilen und so mehr Ertrag übrig bleibt.
Für die Versicherten ändert sich grundsätzlich nicht. Ihre Policen verschwinden natürlich nicht. Dennoch müssen sie sich auf schrumpfende Renditen einstellen. Grund: Weil die Versicherer kein Neugeschäft mehr machen, haben sie es nicht nötig, die Verzinsung der bestehenden Policen hoch zu halten. Bislang war dies aber als Werbeeffekt für Neukunden nötig. Künftig werden die Gesellschaften bei der Überschussbeteiligung hingegen knauserig sein, warnen Verbraucherschützer.
Etwa ein Dutzend Gesellschaften wurden bislang stillgelegt
Bisher gibt es in Deutschland erst drei solcher Müllkippen für Lebensversicherungen, und diese sind vergleichsweise klein. Die Plattform der Ergo wird mit 6,5 Millionen Policen mit Abstand die größte sein. Und Rieß will nicht ausschließen, dass zukünftig noch weitere Bestände von Konkurrenten hinzukommen.
Etwa ein Dutzend Gesellschaften wurden bisher stillgelegt. Die meisten werden von den Unternehmen selbst abgewickelt, nur die Mannheimer Lebensversicherung landete bei Protektor, einer Selbsthilfeeinrichtung der Versicherungsindustrie, die bestehende Kundenverträge vor einer Pleite eines Versicherungsunternehmens schützt, um so Schaden von der Branche abzuwenden.
Doch Protektor leidet aufgrund des schrumpfenden Bestands zunehmend unter hohen Verwaltungskosten, deswegen sollen die verbliebenen Verträge nun möglicherweise an eine Run-off-Gesellschaft verkauft werden.
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