Gesetzesänderungsvorschlag für das Betreuungsrecht führt zu weiterer Rechtsunsicherheit für Betroffene und behandelnde Ärzte!
Eine geplante Änderung im Betreuungsrecht will Eheleuten die Möglichkeit geben medizinische Entscheidungen für den Ehepartner – wenn dieser selbst nicht mehr handeln kann – zu treffen.
Das beinhaltet ein entsprechender Gesetzesänderungsvorschlag aus dem Justizministerium Stuttgart, der auf der Justizministerkonferenz der Länder im Juni beschlossen werden soll.
Nach diesem Vorschlag sollen Eheleute künftig die Möglichkeit erhalten, medizinische Entscheidungen für den handlungsunfähigen Ehepartner zu treffen. Allerdings soll dabei hinsichtlich des handelnden Ehepartners kein eigenes Recht zum Handeln gegeben werden, sondern es soll nur die jederzeit widerlegbare Vermutung gelten, dass er das Recht hat mit den behandelnden Ärzten zu sprechen sowie medizinische Entscheidungen für den Partner zu treffen.
„Dieser Vorschlag ist mehr als skurril und ein Stückelungswerk, das rechtswidrig und verfassungswidrig sein dürfte, weil die geplante Regelung die bereits in diesen Fällen bestehende Rechtsunsicherheit noch verstärken würde!“, so die Ansicht des Vorstandsvorsitzenden des Forschungsinstituts für Betreuungsrecht der Kester Haeusler Stiftung, Prof. Dr. Volker Thieler.
Der Rechtsexperte für internationales Betreuungsrecht, Prof. Volker Thieler, sieht vor allem dann ein Problem, wenn mit den getroffenen Entscheidungen frühere Entscheidungen des anderen Ehepartners widerrufen werden. Fraglich ist nach seiner Ansicht vor allem, ob Eheleute, Angehörige oder Lebenspartner, die nach dem derzeit geltenden Recht nicht mal mit dem behandelnden Arzt ohne Vorsorgevollmacht sprechen dürften, mit der geplanten Änderung wirklich mehr Rechte bekommen würden.
„Dies ist zu verneinen, da sich ja der behandelnde Arzt bereits nach der derzeitigen Rechtslage wegen Bruchs der Verschwiegenheitsverpflichtung bei einem Gespräch mit Ehepartnern oder Angehörigen strafbar macht, wenn keine Vollmacht vorliegt!“ so Prof. Thieler. Außerdem sieht er ein Problem hinsichtlich der bereits abgeschlossenen Behandlungsverträge, die dann möglicherweise rückwirkend unwirksam wären.
Nach bisheriger Gesetzeslage erhalten Eheleute, z.B. nach einem Verkehrsunfall oder einer aus anderen Gründen bestehenden Handlungsunfähigkeit ihres Ehepartners – ohne Vorlage einer Vorsorgevollmacht – kein Auskünfte des Krankenhauses oder Arztes zum Gesundheitszustand ihres Partners. Denn der Arzt darf aufgrund seiner Verschwiegenheitsverpflichtung einem nicht bevollmächtigten Ehepartner oder Angehörigen keine Auskünfte zum Gesundheitszustand oder der Therapie erteilen. Er würde sich damit nach derzeitiger Gesetzeslage strafbar machen. Dieser weitgehend unbekannte Rechtszustand in Deutschland besteht z.B. im Nachbarland Österreich nicht. Dort gibt es die gesetzliche Stellvertretung des Ehepartners bzw. eines nächsten Angehörigen auch im Notfall, siehe auch www.internationales-betreuungsrecht.de.
Die Kester-Haeusler-Stiftung ist seit 28 Jahren in ihren eigenen Forschungsinstituten schwerpunktmäßig in den Bereichen Betreuungsrecht und Erbrecht sowohl national als auch international wissenschaftlich tätig.
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